Fremde Sprachen, vertraute Botschaft: Bibeln im Gefängnis

Pakete mit Bibelausgaben in 13 verschiedenen Sprachen sind jetzt in den Bibliotheken aller Justizanstalten in Österreich zugänglich - und sind gefragt!

Die Bibelgesellschaft konnte in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Justiz Pakete mit Bibelausgaben in 13 verschiedenen Sprachen (Dari, Deutsch, Englisch, Farsi, Französisch, Kroatisch, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Serbisch, Slowakisch, Spanisch, Ungarisch) und, wo möglich, jeweils unterschiedlichen Übersetzungen, an alle Justizanstalten Österreichs liefern, die dort in den Bibliotheken verfügbar sind.

Ruth Duschet war zu Besuch in der Justizanstalt Simmering:

Um zu sehen, wie die Bibelausgaben vor Ort ankommen und um überhaupt mehr über die Bibel hinter Gittern zu erfahren, bin ich in die Justizanstalt Wien-Simmering gefahren und habe mit dem dortigen Bibliothekar, M. Natowicz, gesprochen. Die Justizanstalt Wien-Simmering, die in einem ehemaligen Jagd- und Lustschloss der Habsburger untergebracht ist, kann bis knapp über 500 Insassen beherbergen. Manch einer meint ja, dass die Bibel an keinem anderen Ort so intensiv gelesen wird, wie im Gefängnis. Für Menschen, die sich in schwierigen Lebenssituationen wiederfinden, kann die Bibel eine ehrliche Auseinandersetzung mit Schuld, Trost und Versöhnung darstellen. Im Strafvollzug wird die Bibel für Insassen daher oftmals besonders wichtig.

Die Bibliothek der Justizanstalt beherbergt mehr als 8.000 Bücher, darunter Biographien, Romane, Gedichte, Sachbücher und Märchen. Auch Reiseberichte seien sehr beliebt. Einmal im Monat ist Büchertausch, dann haben Insassen die Möglichkeit, neue Bücher zu bestellen.

bibelregal in der JA Simmering

Bibeln sind gefragt

Ich frage nach, wie die Verfügbarkeit von Bibeln hier ankommt, und ob solche Neuzugänge der Bibliothek auch entsprechend beworben werden. Das sei nicht notwendig, erklärt Herr Natowicz, Bibeln waren schon immer gefragt und finden sich regelmäßig auf den Bestellzetteln der Insassen. Die zahlreichen Bibelausgaben, die im Frühjahr 2021 aus zwölf verschiedenen Ländern zu uns ins Bibelzentrum kamen, dort jeweils mit Stempel versehen, zu Paketen zusammengestellt und an die 28 Justizanstalten verschickt wurden, finde ich in einem eigenen Regal der Bibliothek wieder. Sorgsam aufgereiht sind hier die verschiedenen Übersetzungen in Sprachen wie Russisch, Farsi, Ungarisch oder Kroatisch. M. Natowicz freut sich darüber; als Bibliothekar ist es ihm ein großes Anliegen, Leserwünsche erfüllen zu können. Dabei ist oft auch die Sprachenvielfalt im Gefängnis eine besondere Herausforderung. Herr Natowicz ist beeindruckt, dass die Bibelgesellschaft ein internationales Sortiment in dieser Größenordnung auf die Beine gestellt hat. Im allgemeinen Buchhandel sei so etwas undenkbar.

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Anders als andere Bücher

Die Bibel wird in vielerlei Hinsicht anders gelesen als andere Bücher. Das sieht auch M. Natowicz so, Bibelausgaben werden in der Entlehnung grundsätzlich verlängert. Auch der Zugang ist „immer merklich emotional“, beobachtet der Bibliothekar.

Über Monate hat die Bibelgesellschaft in der Zeit der Pandemie an der Verwirklichung des Projekts „Bibeln für die Bibliotheken der Justizanstalten“ gearbeitet, um den Zugang zur Bibel für Haftinsassen zu fördern. In Abstimmung mit dem Bundesministerium für Justiz entstand eine Liste an Sprachen und Ausgaben, die sich nun in allen österreichischen Justizanstalten ident wiederfindet. Die Koordination und Beschaffung der Bibeln in insgesamt 13 Sprachen war eine Herausforderung. Die Hindernisse reichten von pandemiebedingten Lieferschwierigkeiten und dem Brexit bis zum eingeschneiten Madrid, das den Versand aus Spanien für einige Tage lahmlegte. Doch allen Hindernissen zum Trotz ist es seit Ende Mai 2021 möglich, dass sich Haftinsassinnen und -insassen in ganz Österreich eine Bibel in der von ihnen gewünschten Sprache ausborgen. Persönliche Bibelexemplare, so diese von Insassinnen und Insassen gewünscht werden, sind darüber hinaus natürlich weiterhin kostenlos über die Bibelgesellschaft erhältlich und werden in regelmäßiger Kooperation mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern der verschiedenen Kirchen zur Verfügung gestellt.

Die Bibel bewegt, berührt und nimmt mit. Für die Österreichische Bibelgesellschaft ist es etwas ganz besonderes, dass Bibeln auf Farsi, Russisch oder auch Serbisch jetzt in den Justizanstalten in ganz Österreich vorhanden sind, dort mit Menschen in Kontakt kommen und auf diese Weise lebendig werden.

Portrait von Ruth Duschet, Mitarbeiterin der Österreichischen Bibelgesellschaft

Von Englisch bis Dari - die Bibliotheken der Justizanstalten enthalten nun Bibelausgaben in 13 verschiedenen Sprachen.

Ruth Duschet, MA, ist bei der Bibelgesellschaft seit 2014 als Projektmanagerin unter anderem für das Projekt „Bibeln für Gefangene“ verantwortlich.

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