Welche Bibel soll ich lesen?
Wie kommt es dazu, dass es so viele „Bibeln“ in einer Sprache gibt? Warum wird die Bibel immer wieder neu übersetzt und für wen? Der Grund: Es gibt zahlreiche unterschiedliche Arten der Bibelübersetzung.
Inhaltsverzeichnis
Zwei Typen von Übersetzungen
Bevor man zu einer Bibel greift, sollte man sich darüber im Klaren sein, welche Art von Bibeltext man lesen möchte. Friedrich Schleiermacher unterschied ganz prinzipiell zwei Typen von Übersetzungen:
„Text bewegt sich zum Leser“
Darunter versteht man Übersetzungen, die den Text zum Leser hin bewegen: Der Bibeltext kann in einer einfachen, leicht verständlichen, mitunter auch vereinfachten Form gelesen werden. Zu dieser Kategorie gehören gut lesbare, kommunikative Bibeln und Übertragungen.
„Leser bewegt sich zum Text“
Der übersetzte Text der Bibel kommt dem hebräischen und griechischen Original möglichst nahe. Dazu zählen philologische, texttreue Übersetzungen und Wort-für-Wort-Übersetzungen.
Innerhalb dieser Positionen gibt es ein weites Spektrum, das für jedermann - vom wissenschaftlich Interessierten über den traditionellen Bibelleser bis hin zu dem, der einmal vorsichtig hineinschnuppern möchte - die passende Übersetzung bereithält. Davon zu unterscheiden sind die konfessionellen Übersetzungen, die in ihrer Form von der jeweiligen Glaubensgrundhaltung geprägt sind.
Geschichte der deutschsprachigen Bibelübersetzungen
Die erste, in Teilen erhaltene Übersetzung in eine germanische Sprache stellt die gotische Bibel des Bischofs Wulfila dar (4. Jahrhundert). Um das Jahr 1000 wurde von Notker Labeo eine Übertragung der Psalmen ins Althochdeutsche verfasst. Aus dem Jahr 1466 stammt die erste vollständige deutsche Bibel in gedruckter Form von Johann Mentelin, die allerdings nicht den Originaltext, sondern die lateinische Vulgata als Vorlage benutzte. Aus dem 16. Jahrhundert, als sich im Zuge des Humanismus eine Rückbesinnung auf die hebräischen und griechischen Originaltexte durchsetzte, stammen die Übersetzungen von Erasmus von Rotterdam und Johannes Reuchlin.
Martin Luther und die Bibel
1522 legte der Reformator Martin Luther die Übertragung des Neuen Testaments vor, 1534 folgte das Alte Testament. Neu an dieser Übersetzung war, dass Luther erstmals auch den Leser in den Übersetzungsprozess einbezog: Neben sprachlicher Genauigkeit sollte sein Text allgemein verständlich („den Menschen beim Reden aufs Maul schauen“ war sein Motto) und einprägsam sein (Verwendung von Stabreim u. ä.).
Da durch den fast zeitgleich aufgekommenen Buchdruck – Johannes Gutenberg ließ 1452 in Mainz erstmals eine lateinische Bibel drucken – Bibelausgaben in größeren Mengen und zu niedrigeren Preisen hergestellt werden konnten, war diese Übersetzung als Text der evangelischen Kirche im deutschen Sprachraum weit verbreitet. Der Einfluss auf die Entstehung der deutschen Hochsprache, die sich auf dieses umfangreichste Werk der damaligen deutschsprachigen Literatur gründete, ist kaum zu überschätzen. Bis heute gehört die Lutherbibel zu den wichtigsten deutschsprachigen Bibelübersetzungen.
Katholische Bibelübersetzungen
Die katholische Entsprechung zur Lutherbibel ist die Übersetzung von Johann Dietenberger ebenfalls aus dem Jahr 1534, die nach ihrer Überarbeitung im Jahr 1680 als Mainzer Bibel bekannt wurde. Die katholische Tradition legte ihren Übersetzungen jedoch bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil am Beginn der Sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts stets die lateinische Vulgata zugrunde. Erst mit der im Rahmen des Konzils beschlossenen Umstellung der Liturgie in die jeweiligen Muttersprachen anstelle der lateinischen Sprache wurde für diesen Zweck eine neue Bibelübersetzung auf Basis der hebräischen und griechischen Originaltexte angefertigt (Einheitsübersetzung).
Reformierte Bibelübersetzung
Zu erwähnen ist außerdem die Übersetzung des Schweizer Reformators Huldrych Zwingli (Neues Testament 1524, Altes Testament 1531), die auf Basis der Urtexte immer wieder überarbeitet wurde.